Forschung Frankfurt: Leserbriefe zur Ausgabe „Klimakrise“ (2.2020)

Zum Thema Klimakrise (Forschung Frankfurt, Ausgabe 2.20) haben uns viele Leserbriefe erreicht, von denen wir an dieser Stelle eine Auswahl veröffentlichen. Die Leserbriefe geben natürlich die Meinung unserer geschätzten Leserinnen und Leser wieder, eventuelle Quellenangaben werden von uns nicht überprüft.

Wir freuen uns sehr über die Resonanz, Leserbriefe können Sie uns auch gerne zuschicken an: 

Dr. Anke Sauter, Dr. Markus Bernards


Leserbriefe

Werte Frau Dr. Sauter,
Werte Herr Dr. Bernards, 

heute begegnete mir beim Informationsdienst Wissenschaft der Hinweis auf ihre aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ mit dem Schwerpunkt-Thema „Klimakrise“. Einen herzlichen Dank für die vielen interessanten Beiträge. Im Hinblick auf den guten Gedanken von Prof. Horst Schmidt-Böcking, die ehemaligen Kohletagebau-Reviere nach einer Flutung als Energiespeicher zu nutzen, möchte ich sie als Fußnote auf einen Artikel im Berliner Tagesspiegel hinweisen. Wie dort zu lesen ist, bestehen anscheinend im Osten Deutschlands mittlerweile Schwierigkeiten die ehemaligen Kohlegruben aufgrund der steigenden Temperaturen mit Wasser zu füllen. Im Hinblick auf das Thema Wasser sei ein Beitrag im Deutschlandfunk über die Nidda mit dem Titel „Gewässerreinhaltung. Wo Politik und Kläranlage versagen“ ergänzt, in dem Herr Prof. Jörg Oehlmann, Leiter des Bereichs „Aquatische Ökotoxikologie“ der Goethe-Universität, zu Wort kommt. 

Im Zusammenhang mit der Überlegung von Frau Dezernentin Heilig in dem Beitrag „Mailändische Verhältnisse“ zu einer Internationalen Bauausstellung in Frankfurt, sei auf ein Gespräch im Rahmen der IBA'27 Stuttgart zum Thema „Klimaneutral bis 2050 – vom Passivhaus zum Plusenergie-Quartier“ hingewiesen. Herr Nusser [3:00-5:50] von der Unternehmung EGS-plan spricht dabei die erfolgreiche energetische Sanierung auf Passivhaus-Standard der ABG Holding Frankfurt in der Rotlintstraße an. Zum Thema Kühlung im Sommer in Städten sei der Beitrag „Wie man emissionsfrei heizen kann“ im Wiener Standard ergänzt, der über ein Pilotprojekt u.a. mit der Beteiligung der TU Wien, berichtet. Im Rahmen des Ansatzes zur Kombination von oberflächennaher Geothermie, PV-Anlagen und Wärmepumpen, kann im Sommer durch das Erdreich auch Kühlung für Gebäude bereitgestellt werden.

In dieser Hinsicht unterstütze ich durchaus den Gedanken von Heilig, dass die IBA'Frankfurt bereits im Jahr 2021 beginnt. Für ihre kommenden Ausgaben von „Forschung Frankfurt“ wünsche ich ihnen auch weiterhin ein gutes Gelingen. 

Johannes Eckert, 
Twitter: @futureaspresent | @SLGWLab

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Guten Tag, Frau Dr. Sauter, Herr Dr. Bernards, 

zuerst möchte ich Ihnen zu Ihrem Magazin „Klimakrise“ mein Kompliment ‚überreichen': das betrifft Themenwahl, Ausführung und auch Darstellung (Layout). Ich hoffe sehr, dass Sie dabei bei einigen Ihrer Leser (zum Beispiel bisher zögerlichen Multiplikatoren) doch einige klimaschützende Gedanken- und Handlungsanstöße damit ausgelöst haben! 

Dann habe ich wieder einmal mehr gedacht: ehrliches Bemühen, guter Ansatz – und wie viele ‚wohlformulierte Äußerungen', zum Beispiel das ‚Bedauern' des Herrn Müller (S.14, rechte Spalte, Mitte) der mit Sorge an eine regionale (coronabedrohte) Instituts-Ausstellung denkt... und zur Klimakrise bedauern parliert „Leider sind die Menschen sehr träge beim Verändern ihrer Gewohnheiten“. Ein für mich schmerzlich nonchalanter Satz, den ich vor dem Hintergrund aller wissenschaftlichen Erkenntnisse eher dem Text eines Titanic-Filmdramas zuordnen möchte. 

Immerhin, so dachte ich dann, hat er ja mit dem Satz sooooo Recht. Vermutlich hätten doch einige Akademiker nicht goutiert, wenn irgendwer (selbst mit Würden und Titeln) auf einer Seite eine ‚Brandrede' gehalten hätte gegen die Versäumnisse von Wissenschaft und Politik sowie zur Pflicht von Wissenschaftlern, in Zeiten echter Natur- und Gesellschaftskrisen mit Ihrem Wissen ihre individuellen ‚Drittmittel-Elfenbeintürme' zu verlassen! Ich habe einen Vorschlag: Eher leise besetzen seit vielen Jahren ‚Wissenschafts-, Wirtschafts- und Lobbyakteure' die Thematik‚ Bioökonomie'. Das ist ein Milliarden-Euro-Markt, der ( - meist mit nur ‚homöopathisch ethischer Ausrichtung' - ) neben vernünftigen Chancen auch ein erhebliches Umweltzerstörungs- und Herrschaftspotenzial besitzt (ich habe viele Jahre mich damit beschäftigt). Das wäre für Ihre Redaktion doch ein ‚Schwerpunkt-Thema' für den Herbst 2021! Material dazu gibt es zuhauf! Und sollten Sie dieses oder ein anderes Krisen-Thema (zum Beispiel Zerstörung der Biosphäre oder ‚Zerstörung unserer Böden – Grundwasser-Vegetation' – oder den Themenkomplex ‚Plastik und Umwelt') erwägen aufzugreifen, schlage ich Ihnen vor, dass einer der Beiträge ein wissenschaftlich fundiert abgesichertes (via ‚Extrapolationen') ‚wahrscheinliches Zukunfts-Szenario' (kurz- bis mittelfristig') darstellt! 

Herr Dr. Bernards, ich erwähne jetzt Ihren Text S.9, rechte Spalte, Prof. Curtius-Zitat'. Meine Empfindung dafür: ein bezüglich der Thematik leider nur ‚zahmer Hinweis', den hätte ich gerne ‚präzise' mit Festlegung gelesen; ich weiß: die rechte Spalte hatte nur noch 4 Leerzeilen :-)! 

Klaus Gerosa,
Herrligkoffer-Stiftung, München

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Liebe Redaktion, 

auf den Seiten 106 und 107 der neu erschienen „Forschung Frankfurt“ mit dem Schwerpunkt Klimakrise werden zwei Standpunkte einander gegenübergestellt: Packen wir's oder nicht, den Klimawandel aufzuhalten und die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen?

Herr Professor Mosbrugger vertritt den Standpunkt nein, und Herr Professor Curtius den Standpunkt ja, und mein Kollege Heinz Bingemer und ich, Gundolf Kohlmaier, sind auf Professor Curtius' Seite, allerdings mit gewissen Abstrichen. 

CO2-Emission und der damit verknüpfte Klimawandel ist ein globales Problem. Rund 7,8 Milliarden Menschen emittieren heute im Mittel 42 Milliarden Tonnen CO2/Jahr, oder kurz 42 Gt (Gigatonnen) CO2, was im Durchschnitt 5,4 t CO2/Kopf/Jahr bedeutet, mit wesentlichen Unterschieden zwischen Nordamerika, (USA und Kanada) mit 16,1 t CO2/Kopf/Jahr und Afrika mit 1,1 t CO2/Kopf/Jahr, China 8,0 t CO2/Kopf/Jahr, EU-28 9,1 CO2/Kopf/Jahr und Deutschland 9,0 t CO2 /Kopf/Jahr. 

In unserem Manuskript „Leitfaden zum verbleibenden CO2-Budget für das 1,5- und 2,0-Grad-Ziel“ meinen wir zeigen zu können, dass das 2-Grad-Ziel mit einer jährlichen Reduktion von rund 4,0 Prozent der Globalemission erreicht werden könnte, wobei im Unterschied zu vorangegangen Publikationen der Nullpunkt der Netto-CO2-Emission nicht bei 2050, sondern später, bei etwa 2070 liegt, was uns noch 50 Jahre Zeit geben könnte (siehe Grafik). Wir konnten ebenfalls zeigen, dass das CO2-Budget für das-2-Grad-Ziel, nämlich 1086 Gt CO2, das bei jetziger konstanter CO2-Emmision von 42 Gt CO2 nach 26 Jahren erschöpft ist (s.a. Mercator Research MCC, years to depletion =26 Jahre), bei einer kontinuierlichen linearen Reduktion über 2x26 Jahre, also 52 Jahre, mit einer jährlichen Reduktion von „nur“ 0,81 Gt/Jahr den Nullpunkt der Emission bei 2072 erreicht. 

Andererseits ist das 1,5-Grad-Ziel nur mit einer starken jährlichen Reduktion von 12,5 Prozent von heute an zu erreichen; oder linear ausgedrückt, nur mit einer linearen Reduktion des Budgets von 336 Gt von global 2,6 Gt CO2/Jahr über die kurze Zeit von 16 Jahren wird die 1,5-Grad-Schwelle nicht überschritten. Dabei wird der Nullpunkt der Netto-CO2-Emission in 2036 erreicht. Eine so starke Reduktion erscheint bei der bis jetzt erfolgten Entwicklung über die letzten Jahrzehnte nur sehr schwer vorstellbar. 

Von 1990 bis 2018 stieg die CO2 Emission der Welt von 22.800 Mt auf 37.877 Mt CO2 (Anstieg 66,2%). Dabei war der Anstieg der Emissionen von China zwischen 1990 und 2018 mit 347% rasant (Anteil 2018 an CO2 Emission: 29,7%), bei den USA ist die Emission fast konstant geblieben (2018 Anteil CO2 Emission: 13,9%), während die EU ihre CO2 Emission um 21,6% senken konnte (2018 Anteil der CO2 Emission: 9,1%); die Großen Drei zusammen: 52,7%. Es muss uns, der EU, gelingen zunächst mit den USA, jetzt mit Präsident Joe Biden und (etwas später) mit China in einem Klima-Club die schwierige Aufgabe der CO2 Reduktion zu meistern, mit den nötigen wissenschaftlichen Grundlagen, dem technischen Know-how und der Wirtschaftskraft aller drei. Dabei ist sicher ein gemeinsamer CO2-Preis eine wichtige Grundforderung. 

Ab Jahresbeginn wird in Deutschland ein Preis für CO2-Emissionen (zunächst 25 €/t CO2 und sukzessive ansteigend bis auf 55 €/t CO2 in 2025) erhoben, die in den Bereichen Wärme und Verkehr durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. Unternehmen, die Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel auf den Markt bringen, müssen ab 2021 entsprechende Emissionsrechte erwerben. Verbraucher müssen ebenfalls mit höheren Preisen rechnen, sollen aber an anderer Stelle entlastet werden. Mit 2,33 kg emittiertem CO2 pro Liter Benzin und 25 €/t CO2 lässt sich ein Mehrpreis von 5,8 Cent pro Liter Benzin errechnen, festgesetzt sind 7 Cent pro Liter Benzin und 8 Cent pro Liter Diesel, was einen Teil der Vorkette miteinbezieht. 

Dr. Gundolf Kohlmaier und Dr. Heinz Bingemer,
Institut für Atmosphäre und Umwelt,
Goethe-Universität Frankfurt

Kontakt

Dr. Anke Sauter (Geistes- und Sozialwissenschaften)
Tel: 069/798-13066
sauter@pvw.uni-frankfurt.de

Dr. Markus Bernards (Naturwissenschaften und Medizin)
Tel: 069/798-12498
bernards@em.uni-frankfurt.de

Theodor-W.-Adorno-Platz 1
60323 Frankfurt am Main

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